Kinder aus
verhaltenssuchtbelasteten Familien
Kinder aus
verhaltenssuchtbelasteten Familien
„Hier stimmt was nicht“
Eine Suchterkrankung hat meist nicht nur Auswirkungen auf die betroffene Person selbst, sondern auch auf ihr Umfeld. Auch auf im Haushalt lebende Kinder kann sich die Sucht auswirken.
Im Gegensatz zu stoffgebundenen Abhängigkeiten lassen sich Verhaltenssüchte jedoch meist gut verbergen. Nichts desto trotz merken Kinder, dass etwas nicht stimmt. Selbst wenn die Eltern versuchen, die Suchterkrankung vor dem Kind zu verbergen, spüren sie die Veränderungen, zum Beispiel durch Stimmungsschwankungen, vermehrtem Streit, Unzuverlässigkeit oder die häufige Abwesenheit eines Elternteils. Wenn sie die Ursache dafür jedoch nicht kennen, kann es passieren, dass sie die Schuld bei sich selbst suchen und sich für die Umstände verantwortlich fühlen. Es ist daher wichtig, einen besonderen Blick auf die Kinder zu werfen.
Auswirkungen
auf die Kinder
Viele denken, dass die Kinder nicht mitbekommen, wenn Eltern an exzessiven Verhaltensweisen leiden – anders als bei Alkohol, Medikamenten oder Drogen. Das stimmt so jedoch nicht. Geht es einem Familienmitglied schlecht, kann das immer auch Auswirkungen für die anderen Familienmitglieder haben. Gerade Kinder sind besonders sensibel für Veränderungen, auch wenn sie nicht wissen, dass diese in Zusammenhang mit einer Verhaltenssucht stehen. Sie nehmen z.B. Stimmungsschwankungen, Streit, physische und psychische Abwesenheit des betroffenen Elternteils und eine dysfunktionale Beziehungsgestaltung, in der nicht über Gefühle geredet wird, innerhalb der Familie wahr. Das führt nicht nur dazu, dass die Kinder darunter leiden, sondern kann auch langfristige Folgen für die Kinder haben, wie z.B. emotionale Instabilität und depressive Verstimmungen. Daher ist es wichtig, aktiv zu werden.
Kinder im Fokus
Es ist wichtig, Kindern altersgerecht zu erklären, dass ein Elternteil an einer Suchterkrankung leidet, was das bedeutet und auch, dass das der Grund für Veränderungen ist, die das Kind wahrnimmt. Wenn Kinder die Ursache nicht kennen, kann es passieren, dass sie die Schuld für die Situation bei sich selbst suchen. Eine offene Kommunikation hilft ihnen, die Situation besser einordnen und einen Weg finden zu können, damit umzugehen. Es fällt ihnen leichter, Fragen zu stellen oder ihre eigenen Bedürfnisse und Sorgen anzusprechen. So ein Gespräch muss nicht perfekt laufen. Wichtig ist, dass euer Kind Raum bekommt, sich mitzuteilen und Fragen zu stellen.
Vor allem wenn Kinder die Ursache nicht kennen, kann es passieren, dass sie sich dafür verantwortlich fühlen, dass sich die Situation in der Familie wieder verbessert oder dass es dem betroffenen Familienmitglied bessergeht. Sie vermitteln z.B. bei Streitereien oder kümmern sich um das suchtkranke Elternteil. Aber: Euer Kind darf Kind sein. Achtet aktiv darauf, dass euer Kind nicht zu früh Verantwortung für sich, Geschwister oder gar Eltern übernimmt.
Für euer Kind kann es sehr wichtig sein, sich auch Dritten außerhalb der Kernfamilie – z.B. Lehrer:innen, einer Tante, dem Opa oder anderen Vertrauenspersonen – zu öffnen. Für das Kind kann es hilfreich sein, wenn es weiß, dass es ok ist, mit jemanden darüber zu sprechen.
Versprecht eurem Kind nur etwas, das ihr auch wirklich halten könnt. Das schafft Vertrauen in euch und vermeidet Enttäuschungen. Im besten Fall schafft ihr regelmäßige Routinen, wie z.B. gemeinsame Zeit oder ein regelmäßiges Hobby für euer Kind.
Ihr seid mit der Situation nicht alleine. Es gibt Beratungsstellen, die euch unterstützen können und mit denen ihr gemeinsam schauen könnt, wie ihr euer Kind bestmöglich unterstützen könnt. Auch, wenn es nicht leicht ist, sich Fremden gegenüber zu öffnen, kann ein Blick von außen manchmal sehr weiterhelfen. Unterstützung findet ihr zum Beispiel bei der Beratungsstelle Café Beispiellos und für Glücksspiel beim Deck24.
Für Kinder ist es in erster Linie wichtig, eine Person zu kennen, der sie sich anvertrauen können. Ermutige das Kind, über seine Wahrnehmungen, Gefühle und Emotionen zu sprechen. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob die Suchtproblematik thematisiert wird oder nicht. Gib dem Kind das Gefühl, dass es keine Tabu-Themen gibt.
Unterstütze das Kind dabei, gemeinsam seine Stärken und Talente zu entdecken. Das Kind darf Kind sein und soll dabei vor allem Spaß haben. Du kannst den Raum dafür schaffen. So kannst du das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit stärken und das Kind unterstützen, ohne dass das Thema Sucht eine Rolle spielt.
Es ist wichtig, die Eltern des Kindes mit ins Boot zu holen. Mache dabei deutlich, dass es dir nicht um die Suchterkrankung geht, sondern ihr ein gemeinsames Interesse habt: das Beste für das Kind. Es ist wichtig, die Eltern darin zu bestärken, dass sie die Expert:innen für ihre Kinder sind. Deshalb solltest du nichts ohne die Zustimmung der Eltern unternehmen, außer du befürchtest eine Kindeswohlgefährdung.
Wenn sich dir das Kind anvertraut hat und die Eltern damit einverstanden sind, kannst du das Kind dabei unterstützen zu verstehen, was diese Erkrankung bedeutet. Dafür gibt es verschiedene altersgerechte Unterstützungsmöglichkeiten.
Wenn du von Problemen innerhalb der Familie erfährst oder sie selbst beobachtest, ist es wichtig, ruhig zu bleiben. Verfalle nicht in Aktionismus. Dokumentiere deine Beobachtungen, tausche dich mit Kolleg:innen aus und plane das Vorgehen so, dass es für die Situation angemessen ist. Vorschnelles Handeln kann dazu führen, dass du das Vertrauen der Eltern und auch das Vertrauen des Kindes verlierst.
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Material für Kinder
Zum Thema Glücksspiel in der Familie gibt es die Geschichte von Alina. „Mein Papa, die Unglücksspiele und ich“ ist eine einfühlsame und kindgerechte Familiengeschichte, ergänzt durch einen erklärenden Sachteil für Kinder ab ca. 8 Jahren und einen Brief an die Eltern.*
* Hinweis: Die Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern hat begleitend zu dem Kinderbuch Unterrichtsmaterialien entwickelt, welche Fachkräfte kostenlos auf deren Seite herunterladen können. Hier geht es zu den Unterrichtsmaterialien.
Material für Fachkräfte
Für Fachkräfte gibt es eine Arbeitshilfe mit einer Checkliste, einem Handlungsleitfaden, Anlaufstellen und vielseitigen Empfehlungen zur Unterstützung von Kinder aus Familien mit Verhaltenssüchten.
Schulung für Fachkräfte
In einer Online-Schulung können Fachkräfte mehr über die Relevanz des Themas sowie mögliche Handlungsoptionen erfahren. Die Schulung besteht aus einem E-Learning, begleitenden Materialien, einem Forum sowie optional einem individuellen Gesprächstermin sowie einem jährlichem Follow-Up.